Verträge sollen klar und eindeutig sein. Manchmal ist das gar nicht so einfach. Regelungen sind zwar kurz, aber missverständlich oder erschließen sich nicht ohne Hintergrundwissen. Oft findet man in Verträgen daher kleine erklärende Regelungen, die mit Phrasen wie „zur Klarstellung“ oder „zur Vermeidung von Missverständnissen“ eingeleitet werden. Sehr viel verbreiterter ist das Phänomen, wohl aus Gründen der Vertragskultur, in englischsprachigen Verträgen, dann als „for the avoidance of doubt“.
Weil das so häufig ist und weil, offen gestanden, auch mein Klauselbestand diesbezüglich im Englischen mehr hergibt, schauen wir uns nachfolgend einige englischsprachige Fälle an, in denen die Phrase passt. Und natürlich stellen wir auch fest, wo das nicht der Fall ist und man sie besser weglässt.
Der Vertrag legt sich selbst aus
In den klassischen Fällen der Verwendung von „for the avoidance of doubt“, will man etwas klarstellen, das sonst missverständlich sein könnte. Im Fall von Unklarheiten greift die Vertragsauslegung, und da kann vieles herauskommen, und nicht unbedingt das, was die Parteien beabsichtigt hatten. Daher schreibt man eine Richtlinie zur richtigen Auslegung gleich in den Vertrag mit hinein, kommentiert den gewissermaßen. Die Grenzen zur „eigentlichen“ Regelung sind fließend, aber was man sagt ist: „das, was ich jetzt erkläre, ist oben eigentlich schon gesagt, aber wir können das noch ein wenig erläutern, gern auch mit einem Beispiel.“
Und wo wir bei Beispielen sind, hier wäre eines:
“For the avoidance of doubt, the confidentiality obligations under this Agreement shall not be interpreted so as to prevent the communication of any information: (hier kommen jetzt die Fälle, in denen die Geheimhaltungspflicht eben nicht greifen soll, AT)”
Ein anderes Beispiel, bei dem es um die Klarstellung des Umfangs einer Definition geht:
“For the avoidance of doubt, Software may be Knowledge or Pre-Existing Know-How.”
Man stellt klar, dass die (im Vertrag definierten) Begriffe „Knowledge“ oder „Pre-Existing Know-How“ auch „Software“ umfassen können. Das muss nicht jeder ohne Weiteres so sehen, aus dem reinen Wortsinn ergibt es sich jedenfalls nicht.
Wir meinen das wirklich so!
In anderen Fällen will man mit „for the avoidance of doubt“ aber sagen: „Das mag beim Lesen seltsam klingen, aber es ist wirklich genau das, was wir gemeint haben. Wir haben lange darüber nachgedacht, wir wissen, was wir tun, also bitte versuch nicht, es anders auszulegen, als es dasteht!“ Oder, weil wir heute so viele englischssprachige Klauseln haben: „This may sound odd, but it is really, really, really what we meant”.
Im Fall eines Joint Development Agreements wird etwa zur Verteilung von Patenten und sonstigen Rechten des geistigen Eigentums geregelt:
“Patentable inventions made solely by one Party hereto, including title to all Patents resulting therefrom, shall be solely the property of the inventing Party. For the avoidance of doubt, such sole ownership in and to such Patents shall not be interpreted as applying to the copyrights, trade secrets, mask works, and other non-patent intellectual property rights relating to such Patents, which shall remain jointly owned.”
Warum ist das hier notwendig? Weil es ungewöhnlich ist, die Rechte an einer Erfindung in Patente und sonstige (im Zusammenhang stehenden) IP-Rechte aufzuspalten und das dann auch noch verschiedenen Eigentümern zuzuordnen. Die Botschaft hier ist aber, dass das genau so gewollt ist.
Subtile und nicht so subtile Botschaften an Dritte
Eigentlich ein Unterfall der vorstehenden Punkte, aber eben doch mit einem interessanten Twist, ist der Fall, dass etwas eigentlich klar ist, und man es dennoch klarstellt. Schauen wir uns doch mal die folgende Regelung an. Es geht darum, dass eine IP-Lizenz erteilt wurde, aber beschränkt auf eine ganz bestimmte Fertigungsstätte („Site“). Diese Lizenz ist übertragbar, wenn ein Rechtsnachfolger („Site-Successor“) eben diese Fertigungsstätte übernimmt:
“The license granted hereunder is transferable only in case Recipient leases, assigns, sells, spins off or otherwise disposes of its Site, and such transfer shall be only permitted to the Site-Successor. For the avoidance of doubt: such transfer shall not broaden the scope of the license, in particular the license shall remain limited to the use (whatever is licensed here, AT) in Site only.”
Nun ist klar, dass eine Lizenz sich nicht erweitert, wenn man sie überträgt. Andererseits ist die Due Diligence, die ein potentieller Rechtsnachfolger vornimmt, bevor er die Site übernimmt, eben eine relativ schnelle Durchsicht der Vertragslage durch einen Außenstehenden. Daher packt man für den gewissermaßen ein Ausrufezeichen in den Vertrag. Es wird also gar nicht mit dem Vertragspartner gesprochen, sondern mit dessem (potentiellen) Rechtsnachfolger. Man hätte auch schreiben können: „Für den Fall, dass Du, lieber Rechtsnachfolger, das hier in einer Due Diligence liest und daher nicht viel Zeit hast, wisse dennoch, dass Du dieses geistige Eigentum nur in dieser einen Site verwenden kannst. Wenn Du es da rausnimmst und woanders hinträgst, schauen wir Dir auf die Finger.“
Grandios!
Hintergrundwissen
Ab und an wird „for the avoidance of doubt” auch verwendet, um im Vertrag Hintergrundwissen anzubringen. Etwa in folgendem Fall:
“All required consents, approvals and authorizations of all relevant Governmental Bodies necessary for (…), shall have been obtained and all required waiting periods required by such authorities shall have expired. For the avoidance of doubt, the parties are aware of no such consents, approvals or authorizations.”
Ich denke, man verwendet die Formulierung hier, um klarzustellen, dass ein bestimmter Umstand außerhalb des Vertrages vorliegt. Allerdings frage ich mich, ob das wirklich sinnvoll ist. Mir erschließt sich nämlich nicht, ob das ein wichtiger Umstand ist und was, wenn es anders sein sollte, die Folge wäre. Wenn vermieden werden soll, dass eine Partei der anderen etwas verschweigt, was sie weiß, hätte man das auch klar sagen können. Insgesamt scheint mir die Klausel einfach faul formuliert zu sein, denn es fehlt wohl ein „required“ im letzten Satz.
Emphase
Oft, meines Erachtens viel zu oft, liest man ein „for the avoidance of doubt“ auch zur Klarstellung besonders wichtiger Punkte. Man sagt es gewissermaßen extralaut:
„For the avoidance of doubt, User must comply with all applicable laws, rules, and regulations.”
Überflüssig
Und damit sind wir bei den Fällen, wo das „for the avoidance of doubt“ schlicht überflüssig ist und weggelassen werden sollte.
„‘Subsidiary’ shall mean any company which is or becomes owned or controlled directly or indirectly by a Party hereto as to more than fifty percent (50%) of such company’s issued share capital, voting rights and/or the like. For the avoidance of doubt, a company shall be a Subsidiary only for as long as such ownership or control exists.”
oder
“For the avoidance of doubt, termination or withdrawal shall not affect any right or obligation incurred prior to the date of the termination or withdrawal, unless otherwise provided in this Agreement.”
Machen Sie doch mal den Blue-Pencil-Test und lassen Sie das “for the avoidance of doubt” weg. Es ändert sich nichts an der Regelung, aber der Text wird klarer und vor allem kürzer.
Fallen Ihnen noch mehr Fälle ein, in denen ein „zur Vermeidung von Missverständnissen“ oder „for the avoidance of doubt“ sinnvoll ist? Dann schreiben Sie doch einfach einen kurzen Kommentar, gern mit ihrer Lieblingsklausel.