Kryptowährungen kommen in der anwaltlichen Praxis an

Verfolgen Sie das Thema Kryptowährungen? Ich meine hier wirklich: Währungen, nicht Krypto-Werte. Letztere sind Thema in gefühlt jedem dritten Gespräch in der U-Bahn. Und auch auf den Bildschirmen von Handys, auf die man in selbigem Verkehrsmittel zufällig einen Blick erwischt, flimmern oft die aktuellen BTC- und ETH-Kurse via CoinGecko. In bestimmten Kreisen ist es schwer, ein anderes Thema zu finden, als die Vor- und Nachteile verschiedener gastronomisch benannter dezentralisierter De-Fi-Börsen und ob die Tokenomics der neuesten DAO nicht nur wieder Raubtierkapitalismus in neuer Form sind (übrigens: ja, leider).

Aber sind Sie schon einmal in Kryptowährungen bezahlt worden oder haben selbst Zahlungen geleistet? Wenn, wie viele Maximalisten annehmen, private Kryptowährungen vermeintlich schlechtes staatliches Geld ersetzen werden, dann muss dieser Prozess ja irgendwo losgehen, sichtbar werden. Jedenfalls meine Wahrnehmung und auch – berufliche wie private – Erfahrung war: da passiert wenig.

Gewiss akzeptiert hier und da ein Geschäft oder Online-Händler Bitcoin & Co. So richtig komfortabel ist das aber nicht und dient wohl eher der Ansicht. Die Gutschrift (nunja, die Bestätigung der Transaktion auf der Blockchain) dauert lange, die Transaktion ist teuer und wer will eigentlich mit einem Token zahlen, der zwei Tage später schon 15% mehr wert sein könnte?

Niemand.

Praktisch jeder, den ich kenne, sieht in Krypto den Investmentaspekt. Ich privat bin zwar zweimal von Projekten, die ich betreute, in Krypto bezahlt worden – aber es ging um symbolische Summen und darum, eine gewisse Affinität zur Szene zu zeigen.

Heute aber habe ich, in Vertretung eines Mandanten, einen Vertrag unterzeichnet, in dem die Gegenleistung für den Erwerb von Musikrechten in Kryptowährungen gezahlt wird. Es geht um eine stattliche Summe: mittig fünfstellig. Was ich spannend fand: das war ganz normal.

Gesucht wurde schlicht ein Zahlungsmittel, das sehr schnell und ohne viele Umstände eine Forderung begleicht. Eine Überweisung wäre zu langsam gewesen. Angedacht wurde Bitcoin, aber die hohe Volatilität und die unterschiedlichen Notationen auf verschiedenen Exchanges war hier rein praktisch ein Problem: man konnte sich nicht auf einen Referenzkurs einigen.

Die Lösung war dann ein Stablecoin, nämlich der – zu Recht – viel gescholtene Tether. Der hat den Vorteil, im gehandelten Wert immer recht genau einem US-Dollar zu entsprechen, mithin nur so volatil zu sein, wie das eine Währung eben ist. Zwar stellt sich bei Tether bekanntermaßen die Frage, wie gut er wirklich mit Assets gedeckt ist und ob sein „wahrer“ Wert dann auch real bei einem Dollar liegt. Aber für eine kurze Transaktion, die dann doch wieder in übliche Währungen gewandelt wird, darf das damit verbundene Risiko wohl dahinstehen.

Der große Vorteil bei Zahlungen in Kryptowährungen ist, dass jeder durch einen einfachen Blick auf die Blockchain feststellen kann, ob bestimmter Betrag einer bestimmten Wallet-Adresse gutgeschrieben wurde. Hat man einmal also die „Kontodaten“ ausgetauscht, ist die nachfolgende Transaktion sehr transparent.

Unser Vertrag ist übrigens schon gesettled.

Heißt das nun, dass die Zahlung mit Kryptowährungen ganz normal wird?

Natürlich weiß ich das nicht. Aber ich meine aus meiner bescheidenen anwaltlichen Praxis heraus zusehen, dass auch in ganz normalen wirtschaftlichen Transaktionen von den Vertragsparteien solche Instrumente eingesetzt werden, wenn sie denn die Probleme der Parteien lösen. Es gibt keine Berührungsängste. Das Krypto-Ökosystem gibt es offenbar schon lang genug, dass es als mehr oder weniger gegebene Infrastruktur wahrgenommen wird. Es ist eben da und man nutzt’s wenn man’s braucht.

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