
Wenn Sie es noch nicht getan haben, dann ist jetzt die Zeit, ein wenig mit dem Textgenerator von Open AI zu spielen. Der basiert auf GPT-3, einem generativen Sprachmodell, das vor allem für Chatbots gedacht ist. Mit ein wenig Input oder guten Fragen sowie etwas schlauer Parametrisierung kann man hier Texte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellen. Sehr überzeugenden Texte: der Output ist besser als der, den die meisten Menschen liefern. Copywriting ist vermutlich kein Beruf mit Zukunft.
Verträge sind auch Texte. Wenn man dem Sprachgenerator die richtigen Fragen stellt, dann erzeugt er Vertragstexte. Und ganz offen: sehr brauchbare. Sie können das gern ausprobieren: Versuchen Sie doch Input wie: „Draft a commercial lease agreement for a Minnesota property with a four-year term“.

Rechtsanwälte – Auflaufmodelle, nicht länger gebraucht?
Die Frage stellt sich – und wird auf Twitter gestellt: Brauchen wir, wenn die Verträge aus dem Computer kommen, überhaupt noch Anwälte? Ich bin Anwalt und damit befangen. Dennoch ist meine Antwort: Ja, aber.
Schauen Sie: Das, was Sie erhalten, wenn Sie die KI von GPT-3 benutzen, können Sie auch im Schreibwarenhandel für 2,95 Euro kaufen. Nämlich einen Mustervertrag, ein Formular. Der wird sogar recht gut sein, wenn Sie ihn für standardisierte Fälle verwenden (Autokauf, Wohnungsmiete etc.) und die richtigen Felder mit den konkreten Daten ausfüllen. Daran ist nichts falsch.
Der Mehrwert des Open-AI-Tools ist, dass es nichts kostet und ihnen eine wirklich breite Auswahl bietet: alles nämlich, was es gibt. Aber natürlich müssen Sie dem Werkzeug auch die richtigen Fragen stellen. Und hier gilt (Dank an Dimitar Bakardzhiev für den Hinweis auf das Zitat):
“Man sollte keine Fragen stellen, ohne zu wissen. Wenn man nicht weiß, wie man die richtige Frage stellt, entdeckt man nichts.”
W. Edwards Deming.
Bei komplexen Sachverhalten nutzt ein Vertragsformular nichts. Was gebraucht wird, ist das Wissen um den konkreten Sachverhalt und dessen richtige Umsetzung.
Schauen wir und das am Beispiel einer – hier auf dem Blog vor kurzem diskutierten – Gesellschaftervereinbarung an. Die Deal-Terms, also oft verwendete Klauseln, können Sie aus jeder Vertragsvorlage nehmen.
Brauchen Sie ein Drag-Along / eine Mitverkaufspflicht? Vermutlich ja. Brauchen Sie eine Pay-to-Play-Klausel? Vielleicht. Aber das weiß die KI nicht. Und Sie wissen es auch nicht, wenn Sie sich nicht die Mühe machen, über Sachverhalt und Interessenlage nachzudenken. Dinge wie:
- Was für eine Gesellschaft, was für ein Start-up haben wir hier?
- Wie sieht der Businessplan aus, wo wird die Gesellschaft voraussichtlich in einem, zwei, fünf Jahren stehen und welche Szenarien sind denkbar?
- Wer sind die Gesellschafter und Investoren, wie ist deren Verhältnis zueinander?
- Wie sieht die Interessenlage aus und wie kann sie zum Ausgleich gebracht werden?
Wenn das dann geklärt ist, kann der Anwalt diese Klausel ziehen – und dann zieht er sie auch „nur“ aus seiner Klauselsammlung im Templateordner auf der Festplatte oder aus dem Formularbuch. Ja, solche Sammlungen hatten wir auch vorher schon.
Besinnung auf die juristische Kernkompetenz: Beratung
Und doch sollte die KI uns Anwälte zu ein wenig Besinnung bringen. Darauf nämlich, wer wir sind und was genau wir am Markt anbieten.
Wer als Anwalt davon lebt, Vertragsvorlagen gesammelt zu haben, wird mittelfristig keine große Zukunft haben. Die Fähigkeit, das richtige Vertragsmuster auf der Festplatte zu finden ist schlicht keinen anwaltlichen Stundensatz wert. Die Künstliche Intelligenz ändert daran nichts, sie zeigt es nur auf.
Der Kern der anwaltlichen Kompetenz liegt darin, Situationen zu analysieren, Lösungen zu finden und Interessen auszugleichen. Das Schreiben des Textes ist dann „nur“ noch Umsetzung. Auch das ist nicht trivial, gerade dieses Blog beschäftigt sich ja ab und an mit diesen Themen. Aber die Texterstellung ist schlicht nicht der Value-Add.
Einen Textgenerator im Backup für die Erzeugung von Vertragsvorlagen zu nutzen ist aber bestimmt keine falsche Idee. Das ist ja schonmal etwas.