83 Seiten freudbehaftete Paypal-AGB und ein sterbender König

Nicht jeder hat Spaß am Lesen von AGB. Ich verstehe das zwar nicht, nehme es aber zur Kenntnis. Da weckt eine Überschrift wie „83 Seiten PayPal-AGB sind nicht per se zu viel“ (Titelschutzanzeiger vom 2.3.2020) natürlich erst einmal Interesse. Wenn schon niemand kurze AGB liest, wer liest dann 83 Seiten?

In der Sache hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband beim LG Köln beantragt, Paypal die Verwendung seiner AGB gegenüber Verbrauchern in Deutschland zu untersagen. Das LG wies die Klage ab, das OLG hat das nun bestätigt (Urt. v. 19.02.2020, Az. 6 U 184/19).

Das Argument der Verbraucherschützer ging dahin, dass die AGB schlicht zu lang und unverständlich seien. Ausgedruckt wären es 83 Seiten und ein durchschnittlicher Leser bräuchte 80 Minuten, um das alles zu lesen (die AGB sind zwischenzeitlich überarbeitet worden). In der Tat werfen solche langen AGB unter dem Transparenzgebot Fragen auf, § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB.

Ich habe auch erst geschluckt, denn das ist wirklich viel Text. Zumal 80 Minuten Lesezeit ja nicht gleich Verstehenszeit ist. Jeder, der juristische Texte liest, weiß, dass man das auch zwei- oder dreimal tun muss, um die Hälfte eines Drittels zu verstehen und sich davon ein Achtel zu merken.

LG und OLG argumentierten aber, dass Paypal sehr komplexe Transaktionen ermögliche, und diese Komplexität eben irgendwo auch geregelt werden müsse. Verbraucher könnten ja Zahlungen nicht nur senden, sondern auch empfangen. Dazu werden Banken und Kreditkartenunternehmen eingebunden. Und das Ganze funktioniert auch noch weltweit.

Leider habe ich noch keinen Volltext der Entscheidung gefunden. Und noch leiderer sind die AGB von Paypal inzwischen überarbeitet worden. Aber jedenfalls diese neuen AGB habe ich mir einmal angesehen und meine: die Gerichte haben recht.

Verbraucher als Götter

Paypal erlaubt es, ziemlich komplexe Dinge abzuwickeln.

Der Verbraucher kann weltweit, schnell, günstig, unkompliziert und (relativ) sicher Geld in allen möglichen Währungen an Unternehmen und Privatpersonen versenden. Vor noch nicht übertrieben langer Zeit hätte man solche Dinge etwa per Scheck abwickeln müssen (für die Jüngeren: das war ein Stück Papier, das man per Post verschicken musste. Richtige Post, nicht E-Mail). Wer so alt ist, sich an die 90er zu erinnern, der kennt vielleicht noch die Diskussionen darüber, ob globaler E-Commerce jemals möglich sein werde – ohne schnelle Micropayments ginge das ja gar nicht.

Geht nun.

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Das deutsche Recht zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im B2B-Bereich ist ein Standortnachteil

Ich berate recht häufig internationale Mandanten. Oft sind das Unternehmen aus dem Tech-Bereich, die eine Leistung nunmehr auch an den gehobenen deutschen Mittelstand vertreiben wollen. Erst letztlich war das ein Unternehmen, mit dessen Produkt sich eine Reihe von Kennzahlen im IT-Bereich sehr gut quantitativ erfassen lassen. Als Kunden sieht man Unternehmen, die ein IT- und Marketingbudget im Millionenbereich haben.

Nun ist der deutsche Mittelstand – zu Recht – konservativ. Meine Mandantin sah es daher aus Gründen der Verkaufsförderung als geboten an, nicht nur ihre Verträge in die deutsche Sprache zu übersetzen, sondern auch deutsches Recht und sogar deutsche Gerichtsstände zu vereinbaren.

Ich verstehe das gut. Der Mittelstand sitzt nicht in München, sondern in der Provinz, und die CEO hat nicht in St. Gallen studiert und einen MBA aus London, sondern ist die Enkelin des Gründers. Und so ist das auch gut, denn im Zusammenfallen von Eigentum und Führungsverantwortung funktioniert das System. Aber das hat eben auch etwas erdiges, heimatiges – da kommt kalifornisches Recht einfach nicht gut an.

Schon im Beratungsgespräch, spätestens aber bei der Durchsicht des ersten Entwurfs, kommt es dann oft zum Augenreiben: der neue, deutsche Vertrag ist meist keineswegs „nur“ eine Übersetzung und sanfte Anpassung des ansonsten inhaltsgleichen Ur-Vertrages, sondern gewissermaßen eine Neufassung. Gerade bei der Verteilung der Risiken, also Haftung, Freizeichnungen, Vertragsstrafen etc., bleibt kein Stein auf dem anderen.

Der Grund dafür liegt im deutschen Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

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