Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Sie eigentlich Verträge schließen? Ich meine jetzt nicht den Semmelkaufvertrag. Klar: Sie wollen eine Semmel, und die bekommen Sie, wenn Sie nicht klauen wollen, nicht ohne Kaufvertrag. Sondern: große Verträge. Projektgeschichten.
Oft wird Sinn und Zweck eines Vertrages vor allem darin gesehen, dass er „halten müsse, wenn etwas schief läuft“. Er soll einklagbar sein, Positionen sichern. Im Krisenfall dient er so verstanden im Wesentlichen dazu, als „Drohmittel“ eingesetzt zu werden. Umgekehrt müsste man, sähe man das als einzigen Zweck einer Übereinkunft an, sich eigentlich ins Lager derer stellen, die meinen, solange man sich gut verstehe, brauche man gar keinen Vertrag oder dieser könne jedenfalls „in der Schublade verschwinden“ und werde im besten Falle nie wieder hervorgeholt.
Und in der Tat: so lesen sich viele Verträge. Da stehen jede Menge Drohungen drin. Wie viel Schadenersatz man verlangen kann. Oder Vertragsstrafen. Wo man wen verklagen darf. Nach welchem Recht. Nun ist das alles natürlich nicht falsch, aber es liest sich bedrohlich, vor allem aber kann es nicht alles sein.
Tatsächlich hat ein Vertrag noch eine sehr viel wichtigere Funktion: er soll festhalten und nachprüfbar machen, was die Parteien miteinander abgemacht haben. Er soll die Spielregeln festlegen; als Referenz dienen und so dafür sorgen, dass man sich auch weiterhin gut versteht. Jede Partei soll nachschlagen können und muss selbst verstehen, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Das ist besonders bei Projektverträgen wichtig, die ja einen Mangel an inhaltlicher Bestimmtheit der Leistung durch besondere Formalität von Verfahren und Kommunikation wettmachen.
Somit dient der Vertrag nicht der Entscheidung eines entstandenen Streits vor Gericht, sondern der Vermeidung von Streit überhaupt. Das setzt natürlich dreierlei voraus:
- Zum einen muss der Vertrag so gut es eben geht vollständig sein. Er sollte die denkbaren Konstellationen, die sich im Laufe des vertraglichen Verhältnisses ergeben können, berücksichtigen und angemessen regeln. Vom Ersteller des Vertrages wird also ein gerütteltes Maß an Vorstellungskraft und Erfahrung verlangt. Nicht immer geht das, denn Projekte atmen. Dann braucht es Lösungen dafür, wie man den Vertrag und seine Durchführung steuern kann. Das geht bis dahin, dass man einem Projekt eine Organisation verpasst, wie sie „eigentlich“ eher eine Gesellschaft hat. Dazu aber ein anderes Mal mehr.
- Weiterhin muss der Vertrag so geschrieben sein, dass er von beiden Parteien auch wirklich verstanden wird, möglichst auch noch in gleicher Art und Weise. Er sollte daher weder eine zu „juristische“ noch zu „fachliche“ Sprache verwenden, sondern für alle Beteiligten nach-vollziehbar geschrieben sein, sonst taugt er nicht als Referenz. Idealerweise enthält der Text Metainformationen wie Präambeln, Verweise, Indizes etc.: Dinge also, die die Handhabung des Textes und seine Auslegung einfacher und sicherer machen.
- Zuletzt müssen die Parteien auch den Willen haben, sich an den Vertrag zu halten. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber keineswegs. Im Gegenteil scheint die Tendenz, Verträge erst zu verhandeln, dann aber ggf. außergerichtlich und gerichtlich zu versuchen, möglichst elegant „aus dem Vertrag herauszukommen“, immer mehr zuzunehmen. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache und ich rate ab: überlegen Sie sich besser vorher, was Sie wollen.