Jeder kennt und liebt NDAs (Non Disclosure Agreements / Verschwiegenheitserklärungen). Die werden gern und zu allen möglichen Gelegenheiten ausgetauscht, sind meist standardisiert und werden daher nicht jedes Mal neu gelesen oder gar im Detail verhandelt. Man hat die einfach in der Schublade, meist kopiert und ein wenig angepasst aus dem Internet, und das alles ist schon ein paar Jahre her. Das ganze Dokument besteht im Wesentlichen aus Boilerplates.
Die Freuden der wirtschaftlichen Überlegenheit
Verhandelt werden oft nur drei Dinge: erstens, wie hoch die Vertragsstrafe bei einer Verletzung ist, zweitens, wo der Gerichtsstand ist, und drittens, welches Recht angewendet werden soll. Über letzteres wird nicht lange nachgedacht, in aller Regel bestimmt das einfach die wirtschaftlich überlegene Partei. Es ist halt „unser“ Recht anzuwenden, und das am besten durch „unser“ Heimatgericht.
Der Gedanke, beim Heimatgericht nach heimischem Recht zu verhandeln, ist kein schlechter, denn es gibt in der Tat den „Heimvorteil“, auch wenn die Justiz das nicht gern zugibt. Dennoch empfiehlt es sich, hier noch einmal nachzudenken. Denn was wollen Sie bei einer Verletzung eines NDA als verletzte Partei erreichen? Schadenersatz ist ja gut und schön, aber erst mal wollen Sie, dass es aufhört. Unterlassung. Am besten im Wege einer einstweiligen Verfügung. Die bekommen Sie, wenn es ganz schnell gehen muss, mehr oder weniger sofort. Ich selbst bin schon zu Gericht gegangen und habe mir am Nachmittag eine am Vormittag beantragte Verfügung abgeholt. Das ist großartig.
Recht haben und Recht durchsetzen
So, und nun müssen Sie diese Verfügung vollziehen, das heißt bei einer Unterlassungsverfügung: das Ding zustellen. Das macht der Gerichtsvollzieher auf Ihren Antrag hin, §§ 191, 192 ZPO. Im Inland. Schon im EU-Ausland wird das alles komplexer, denn dann sind Sie in der EU Zustellungsverordnung (EuZVO), in der Regel mit einem Postdienst oder durch die sogenannten „besonderen Übermittlungs- und Empfangsstellen“. Wenn Sie außerhalb der EU sind, weil Ihr Freelancer in Albanien oder Ihr Geschäftspartner in der Ukraine sitzt, wird es ganz komplex.
Wenn Sie da mal drüber nachdenken, dann wollen Sie vielleicht, dass sie den Verfügungsantrag direkt bei den Gerichten des Landes stellen können, in dem Ihr Verletzer sitzt. Da nimmt man sich einfach einen renommierten lokalen Anwalt (oder eben eine international tätige Law-Firm) und lässt die machen. Dann kann man auch nach lokalen Regeln vollziehen (oder das tun, was immer man nach lokalem Recht eben tun muss). Nicht, dass ich jetzt alle lokalen Regeln kenne – aber ich wette, dass es einfacher ist, eine lokale Verfügung zu vollziehen als eine, die aus Deutschland kommt. Doof eben nur, wenn Sie dann die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben. Im Zweifel hat das Gericht in Tirana davon keine Ahnung und ehrlich gesagt weiß ich jedenfalls nicht, nach welchen Regeln dort gemäß fremdem Recht verhandelt wird. Muss ich das nachweisen? Wird da ein Spezialist zugezogen? Was auch immer: vermutlich geht es nicht besonders schnell. Und konterkariert damit die Idee eines schnellen Rechtsschutzes.
Denken Sie mal über eine bedingte Rechtswahl nach
Ich schlage daher vor, die Wahl von Gerichtsstand und Recht genau zu bedenken, oder eben gleich eine bedingte Rechtswahl („floating choice of law“) vorzunehmen. Das sieht schlicht so aus, dass Sie vereinbaren, an ihrem Gericht nach „Ihrem“ Recht klagen zu können, aber auch an jedem zuständigen Gericht im Ausland, insbesondere am Sitz des Verletzers. Und dann soll das Gericht sein eigenes Sachrecht anwenden: das kennt es nämlich.
Diese Variante hat den Vorteil, dass das NDA seinen standardisierten Charakter behalten kann. Hinzu kommt eine gewisse inhaltliche Fairness und Berechenbarkeit, die in ihrer Sachlogik fast nicht wegdiskutiert werden kann – und damit recht einfach zu verhandeln ist, sollte das notwendig sein.