Die Freuden der Vertragsliste

Unternehmen haben eine klar definierte Aufgabe: Geld für die Anteilseigner zu verdienen. Doch wie gelingt das? Indem sie Geschäfte abschließen. Betrachtet man das Ganze aus juristischer Sicht, sind Geschäfte nichts weiter als Verträge – jedenfalls wenn das Unternehmen legal betrieben wird. Daher wäre es für Unternehmen äußerst vorteilhaft, einen Überblick über sämtliche abgeschlossene Verträge zu haben – nicht nur mit Kunden, sondern auch mit Lieferanten. Eine Vertragsliste.

Sollen ist oft nicht Sein

Wenn Sie genau hinschauen und nachfragen werden Sie feststellen, dass es eine solche Vertragsübersicht ganz oft nicht gibt. Unternehmen wissen dann nicht, welche Verträge sie abgeschlossen haben, jedenfalls nicht zentral einsehbar an einer Stelle. Gewiss kann man sich jeden einzelnen Vertrag ansehen, sei es in elektronischer Form oder ausgedruckt auf Papier. Aber zum einen gestaltet es sich schwierig, sich so durch unzählige Ablagen und Laufwerke zu wühlen. Vor allem aber erlangt man so keinen Überblick. Halbwegs sinnvolles Vertragsmanagement wird so unmöglich.

Denn oftmals möchte man nicht sämtliche Einzelheiten aus den Verträgen zusammensuchen, sondern lediglich die wesentlichen Basis- und Strukturinformationen auf einen Blick erfassen. Etwa Fragen beantworten, wie: Wie viele meiner Verträge enthalten eine Change-of-Control-Klausel und welchen Umsatz mache ich pro Jahr mit denen? Denn das wollen Sie vielleicht wissen, wenn Sie den ganzen Laden mit einem Share-Deal verkaufen wollen. Und irgendwie sähe es auch ganz gut aus, wenn sie dem Investor diese Frage ohne langes Zögern beantworten können – der wird das wissen wollen.

Mit einer Vertragsliste geht das.

Was eine Vertragsliste so alles kann

Aber natürlich kann eine solche Liste noch viel mehr. Sie ermöglicht etwa ein sinnvolles Risikomanagement, indem wichtige Aspekte wie Fristen, Haftungsbeschränkungen und Compliance-Anforderungen auf einen Blick erfasst werden.

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Wie funktioniert ein Wandeldarlehen zur Finanzierung von Start-ups?

Leckere Erdbeeren als Symbol für ein Wandeldarlehen - warum denn auch nicht?

Möglichkeiten, wie einem Start-up – oder auch einem gestandenen Unternehmen – Geld zugeführt werden kann, gibt es viele. Eines der gerade in der Venture-Capital-Szene immer beliebteren Instrumente ist das Wandeldarlehen (Convertible Loan). Grund genug, sich Hintergrund Gestaltung, Mechanik, Vor- und Nachteile gegenüber anderen Formen und einige weitere Gesichtspunkte einmal anzusehen.

Das Problemfeld: Stochern im Nebel bezüglich der Bewertung

In einer klassischen Finanzierungsrunde einigen sich Gründer und Investoren auf eine Bewertung des Unternehmens (Pre-money Valuation), auf deren Basis sich die Investoren dann einkaufen, indem das Start-up per Kapitalerhöhung neue Anteile ausgibt und die Investoren diese beziehen.

Das ist eine simple Mechanik, die aber voraussetzt, dass das Start-up halbwegs vernünftig bewertet werden kann. Oft ist aber genau das nicht möglich.

  • Vielleicht, weil das Unternehmen schlicht so jung ist, dass nicht mal der Ansatz einer Bewertung gefunden werden kann.
  • Möglicherweise aber auch, weil jedenfalls der konkrete Investor sich die Preisfindung nicht zutraut.
  • Oft kommt oft auch der Fall vor, dass eine „große“ Finanzierungsrunde kurz bevorsteht, aber bis dahin eine Zwischenfinanzierung gebraucht wird, die dann aber nicht den Preis vorwegnehmen soll.
  • Zuletzt muss es manchmal auch einfach schnell gehen und niemand hat Zeit für eine aufwändige Due-Diligence und Unternehmensbewertung.

Es braucht mithin eine Möglichkeit, dem Start-up Geld bereitzustellen, ohne bereits die Bewertung festzulegen. Genau das kann das Wandeldarlehen (auf gut deutsch auch „Convertible Loan“).

Verlagerung der Unternehmensbewertung – ein Standard im VC-Bereich

Das Wandeldarlehen verlagert die Bewertung des Start-ups in die Zukunft. Dann kann vielleicht klarer gesehen werden, wie gut das Unternehmen am Markt agiert, wie schnell es wächst, wie gut seine Produkte angenommen werden. Oder man lagert die Arbeit der Unternehmensbewertung an einen späteren Lead-Investor aus, der mit viel Sachverstand, Erfahrung und einem Team eine Due-Diligence durchführt.

Die Idee ist es, dem Start-up Geld in Form eines Darlehens zuzuführen. Erst im Fall eines Conversion Events, in der Praxis eine Finanzierungsrunde oder ein Exit, wird der Rückzahlungsanspruch in Anteile am Unternehmen umgewandelt. Während bei der klassischen Finanzierung Geld gegen Equity also bereits klar ist, wie viele Anteile der Investor bekommt, wird beim Wandeldarlehen erst einmal nur bestimmt, wie viel Geld das Unternehmen erhält. In welchem Umfang der Investor dafür Equity erhält, wird erst später festgelegt: in gewisser Weise eine Leistungsbestimmung durch Dritte. Das alles wird in ein Darlehen eingekleidet, um einen Fall-back-Mechanismus zu haben, falls es nicht zur Umwandlung der Finanzspritze in Anteile kommt.

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Werden alle Anwälte durch GPT-3 und KI arbeitslos?

Das Bild einer Mango, das wirklich nichts mit künstlicher Intelligenz zu tun hat.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, dann ist jetzt die Zeit, ein wenig mit dem Textgenerator von Open AI zu spielen. Der basiert auf GPT-3, einem generativen Sprachmodell, das vor allem für Chatbots gedacht ist. Mit ein wenig Input oder guten Fragen sowie etwas schlauer Parametrisierung kann man hier Texte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellen. Sehr überzeugenden Texte: der Output ist besser als der, den die meisten Menschen liefern. Copywriting ist vermutlich kein Beruf mit Zukunft.

Verträge sind auch Texte. Wenn man dem Sprachgenerator die richtigen Fragen stellt, dann erzeugt er Vertragstexte. Und ganz offen: sehr brauchbare. Sie können das gern ausprobieren: Versuchen Sie doch Input wie: „Draft a commercial lease agreement for a Minnesota property with a four-year term“.

Rechtsanwälte – Auflaufmodelle, nicht länger gebraucht?

Die Frage stellt sich – und wird auf Twitter gestellt: Brauchen wir, wenn die Verträge aus dem Computer kommen, überhaupt noch Anwälte? Ich bin Anwalt und damit befangen. Dennoch ist meine Antwort: Ja, aber.

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Sprechen wir über Service Level Agreements (SLA)

Der von Juristen vermutlich am wenigsten geliebte Vertragstyp ist das Service Level Agreement, kurz: SLA. Der Grund für die mangelnde Zuneigung dürfte sein, dass das SLA, jedenfalls auf den ersten Blick, nicht wirklich nach juristischer Fingerfertigkeit zu rufen scheint, sondern nach reiner Leistungsbeschreibung aussieht. Es klingt damit eher nach einem Dokument, das in die Hand der Fachabteilung gehört. Dass Service Level Agreements vor allem im komplexen IT-Bereich vorkommen, vertieft die Abneigung noch zusätzlich.

Zu kurz gesprungen, wie ich meine.

Was genau ist das denn, dieses SLA?

Wenn Sie sich die Mühe machen, das allseits beliebte BGB – oder ein beliebiges anderes Gesetz – nach dem Begriff „Service Level Agreement“ zu durchsuchen, dann werden Sie dort nicht fündig werden. Allerdings werden Sie vermutlich auf den Begriff „Dienstvertrag“ stoßen, der verdächtig an das Wort „Service“ erinnert. Und ganz falsch ist das nicht: ein Aspekt eines SLA ist es typischerweise, zu definieren, was für eine Leistung denn nun genau unter einem Dienstvertrag geschuldet ist und in welcher Qualität die Leistung erwartet werden darf.  

Aber SLAs finden sich nicht nur im Dienstvertrag. Der Begriff „Service“ im „Service Level Agreement” darf weit verstanden werden: das kann auch Werk- oder Mietleistungen betreffen und sogar kaufvertragliche Bestandteile erfassen. Das SLA transzendiert damit die Vertragstypologie des BGB. Das ist auch gut so, denn gerade IT-Verträge lassen sich oft nur mit Mühe in dieses gesetzliche Schema einordnen.

Richtig und wichtig unter diesem Gesichtspunkt ist ein SLA aus zwei Gründen

Wenig, wenig sagt das BGB zum Leistungsinhalt

Zunächst stellt das Gesetz nur sehr unzureichende Regelungen dazu bereit, was denn eigentlich genau als Leistung geschuldet ist. Es sagt nämlich in § 243 BGB nur, dass eine Leistung „mittlerer Art und Güte“ geschuldet ist. Mithin sagt es praktisch nichts.

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Warum Sie ein Shareholders‘ Agreement / eine Gesellschaftervereinbarung brauchen. Ganz im Ernst.

Erstaunlich häufig sehe ich im Mandantenkreis, aber auch bei diversen Gründern, die ich privat kenne, dass gerade in der Friends-and-Family-Phase oder in einer ersten Pre-Seed-Runde Anteile am Unternehmen „nackt“ ausgegeben werden. Also ohne einen Beteiligungsvertrag und ohne, dass der Investor Partei eines Shareholders‘ Agreements / einer Gesellschaftervereinbarung wird.

Erstmal geht das rein technisch: einfach neue Anteile per Kapitalerhöhung schaffen und dann für den Nominalbetrag plus Zahlung in die Kapitalrücklage übertragen. Fertig.

Natürlich ist das hochgradig fahrlässig. Aber warum genau eigentlich?

Worum geht es dabei?

Das Investment Agreement / der Beteiligungsvertrag regelt das Verhältnis des Investors zur Gesellschaft und oft auch den bestehenden Gesellschaftern (die auch Parteien des Vertrages werden). Das Shareholders‘ Agreement / die Gesellschaftervereinbarung regeln das Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Beide Verträge sind sowohl bei der GmbH als auch der AG üblich.

Gerade bei Start-ups, die Exit-orientiert sind, also irgendwann verkauft werden sollen, ist die Satzung nämlich nicht ausreichend, um alle Regelungen zu treffen, die zur Vorbereitung eines solchen Exits sinnvoll sind. Das liegt zum einen daran, dass sich manche Regelungen in der Satzung (gerade bei der Aktiengesellschaft) gar nicht treffen lassen; aber auch daran, dass die Satzung ja über das Handelsregister öffentlich einsehbar ist, man bestimmte Regelungen aber nicht jedem zugänglich machen will. Zuletzt lässt sich ein rein schuldrechtlicher Vertrag auch einfach ändern, wobei hier zu beachten ist, dass eine Gesellschaftervereinbarung in vielen Fällen der notariellen Form bedarf.

Die Grundidee ist es, Investments und Gesellschaft so zu gestalten, dass ein fairer Ausgleich der Interessen der bestehenden Gesellschafter und des einsteigenden Investors gefunden wird. Gleichzeitig – und vielleicht noch wichtiger – muss die Gesellschaft „in Form“ gehalten werden, um einen zukünftigen Exit nicht zu erschweren. Ein übervoller Cap-Table, Erpressungen durch Minderheitsgesellschafter oder ein undurchdringbares Dickicht von Liquidationspräferenzen, Earn-outs, Sonderrechten und virtuellen Anteilen machen einen Kauf nämlich oft zum Blindflug und damit unattraktiv.

Oft werden beide Verträge auch in nur einem Dokument fixiert, dann eben ein Inverstors‘ und Shareholders‘ Agreement / Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung. Viele Regelungen können auch in dem einen oder anderen Dokument getroffen werden, die Grenzen sind hier fließend – wir haben ja nicht umsonst Vertragsfreiheit.

Investment Agreement / Beteiligungsvertrag

Der Investor steigt in der Regel in eine bereits bestehende Gesellschaft mit existierenden Strukturen und einer für ihn nicht ohne weiteres ersichtlichen Vergangenheit ein. Er hat also ein großes Bedürfnis, einige Regelungen zu treffen, um die Beteiligung zu schützen.

Die Beteiligung und was damit zusammenhängt

Im Mittelpunkt steht natürlich die Umsetzung der Beteiligung als solcher.

  • Wie hoch ist die Beteiligung,
  • wie viele Anteile werden dafür erworben, und
  • zu welchen Bedingungen geschieht das?
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Erkenntnisse durch CO2 Removal Forward Agreements

Beim Schreiben von Verträgen stellt man immer wieder fest, dass es nicht schaden kann, sich mit dem Sachthema auszukennen, das in der Vereinbarung behandelt wird. Wenn man sich dann da ein wenig eingräbt, bemerkt man oft im zweiten Schritt, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt. Was unzweifelhaft gut ist: so können wir Juristen vertraute Werkzeuge verwenden, was der Vertrags- und Rechtssicherheit typischerweise zuträglich ist.

In den letzten Tagen hatte ich mit einem Terminvertrag über Kohlendioxyd-Gutschriften / CO2-Zertifikaten (CO2 Removal Forward Agreement) zu tun. In der Sache geht es bei der Technologie darum, CO2 und andere Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen und darauffolgend zu speichern. Hierüber werden dann Gutschriften ausgestellt. Diese können an Unternehmen verkauft werden, die CO2 emittieren wollen und hierfür eben diese Gutschriften benötigen: manche aus rechtlichen Gründen, andere einfach, weil sie CO2-neutral wirtschaften wollen. Das wiederum geschieht häufig gemischt aus echter Sorge um Klima und Planet, aber auch, weil es durchaus werbewirksam ist.

Der Fall hatte noch den zusätzlichen Twist einer Risikokomponente: die Technologie, die CO2-Gutschriften zu erzeugen, wird gerade erst entwickelt. Der Käufer erwirbt derzeit nicht die Gutschrift selbst, sondern eine Anwartschaft darauf. Die Idee aus Firmensicht ist es, bereits jetzt Geld einzusammeln, um die Technologie fertig zu entwickeln und zu zertifizieren. Im Prinzip ist das eine Art Kickstarter-Finanzierung. Man bekommt Mittel, muss aber weder Firmenanteile herausgeben noch Kredite aufnehmen, indem man ein zukünftiges Produkt verkauft. Das Schöne an diesem Produkt wiederum ist, dass es ein börsengehandeltes Commodity ist, also für einen Marktpreis mehr oder weniger reibungslos verkauft werden kann. Damit die CO2-Gutschriften tatsächlich handelbar werden, muss das ausstellende Unternehmen und eben dessen genutzte Technologie zuvor aber von einer geeigneten Stelle zertifiziert werden: der Käufer eines Zertifikats muss sich ja darauf verlassen können, dass tatsächlich Kohledioxyd aus der Atmosphäre entfernt wurde, damit er, nunja, wieder neues hineinblasen kann, ohne rechtliche Pflichten zu verletzten oder irreführend mit Klimaneutralität geworben zu haben.

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Kryptowährungen kommen in der anwaltlichen Praxis an

Verfolgen Sie das Thema Kryptowährungen? Ich meine hier wirklich: Währungen, nicht Krypto-Werte. Letztere sind Thema in gefühlt jedem dritten Gespräch in der U-Bahn. Und auch auf den Bildschirmen von Handys, auf die man in selbigem Verkehrsmittel zufällig einen Blick erwischt, flimmern oft die aktuellen BTC- und ETH-Kurse via CoinGecko. In bestimmten Kreisen ist es schwer, ein anderes Thema zu finden, als die Vor- und Nachteile verschiedener gastronomisch benannter dezentralisierter De-Fi-Börsen und ob die Tokenomics der neuesten DAO nicht nur wieder Raubtierkapitalismus in neuer Form sind (übrigens: ja, leider).

Aber sind Sie schon einmal in Kryptowährungen bezahlt worden oder haben selbst Zahlungen geleistet? Wenn, wie viele Maximalisten annehmen, private Kryptowährungen vermeintlich schlechtes staatliches Geld ersetzen werden, dann muss dieser Prozess ja irgendwo losgehen, sichtbar werden. Jedenfalls meine Wahrnehmung und auch – berufliche wie private – Erfahrung war: da passiert wenig.

Gewiss akzeptiert hier und da ein Geschäft oder Online-Händler Bitcoin & Co. So richtig komfortabel ist das aber nicht und dient wohl eher der Ansicht. Die Gutschrift (nunja, die Bestätigung der Transaktion auf der Blockchain) dauert lange, die Transaktion ist teuer und wer will eigentlich mit einem Token zahlen, der zwei Tage später schon 15% mehr wert sein könnte?

Niemand.

Praktisch jeder, den ich kenne, sieht in Krypto den Investmentaspekt. Ich privat bin zwar zweimal von Projekten, die ich betreute, in Krypto bezahlt worden – aber es ging um symbolische Summen und darum, eine gewisse Affinität zur Szene zu zeigen.

Heute aber habe ich, in Vertretung eines Mandanten, einen Vertrag unterzeichnet, in dem die Gegenleistung für den Erwerb von Musikrechten in Kryptowährungen gezahlt wird. Es geht um eine stattliche Summe: mittig fünfstellig. Was ich spannend fand: das war ganz normal.

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Gain-of-Function im NDA: Insiderliste und DPA

Juristen lieben den Geruch von Verschwiegenheitserklärungen (NDAs) am Morgen. Denn in aller Regel ist das NDA der Auftakt für eine Verhandlung, eine Transaktion oder ein komplexes Projekt. Hier wartet auf die Rechtsberater oft spannende – und ertragreiche – Arbeit.

Was immer im NDA steht

Die Verschwiegenheitserklärung selbst ist dabei oft ein überschaubarer Vertrag mit einer begrenzten Anzahl an Regelungen und Freiheitsgraden. Zu prüfen ist typischerweise:

  • Ist das NDA einseitig angelegt oder begründet es wechselseitige Verschwiegenheitsverpflichtungen?
  • Welche Arten von Informationen werden erfasst?
  • Müssen geheimhaltungsbedürftige Informationen gekennzeichnet werden, fällt alles darunter, werden auch mündliche Informationen erfasst?
  • Welche Anstrengungen müssen zum Schutz von Informationen unternommen werden?
  • Gibt es Vertragsstrafen?
  • Wie lange läuft das NDA?

Das ist vergleichsweise schmal („thin Agreement“). Und so handelt es sich bei NDAs auch meist um Standardverträge, die schnell geschrieben oder geprüft sind.

NDA als „fat“ Agreement

Mehr und mehr begegnet mir in der freien Wildbahn aber die Idee, aus einem NDA ein komplexeres Gebilde zu machen, das bereits viele Aspekte der Zusammenarbeit der Parteien abbildet. Aus dem schmalen Vertrag wird so ein „fat Agreement“, das komplexer, mächtiger, aber auch fehleranfälliger wird. Für uns Juristen ist das gut, weil die Mandanten bei umfangreichen und ungewohnten NDAs dazu neigen, diese erst einmal prüfen zu lassen.

Aber nutzt so ein „fat“ NDA den Parteien? Meine Ansicht ist: tendenziell nein, aber es kommt darauf an, was genau die Verschwiegenheitserklärung „fett“ macht. Schauen wir uns doch mal zwei Beispiele an, die mir in nur einer Woche unterkamen.

Insiderliste

In einer Verschwiegenheitserklärung mit einer AG war im Vertragstext des NDA bestimmt, dass meine Mandantin eine Insiderliste zu führen habe, auf die jeder zu setzen sei, der mit der geplanten Transaktion zu tun hat.

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Gendergerechte Sprache in Verträgen – wie kann das gehen?

In den letzten zwei Wochen hatte ich gleich mehrfach Gelegenheit, Verträge und Dokumente zu verfassen, bei denen gendergerechte Sprache als Anforderung vorgegeben war. Im Kontext von juristischen Texten hatte ich mich mit dem Thema wenig beschäftigt, und allgemein ist hier die Diskussion unter Juristen eher verhalten. Das ist insofern verwunderlich, als „anderswo“ regelrechte Kulturkriege toben; im Fall von Formularen der Sparkasse musste sich sogar der BGH schon mit dem Thema befassen.

Mir geht es hier nicht darum, wie ich persönlich zum gendergerechten Schreiben stehe (ich bin diesbezüglich Agnostiker, und wie Sie lesen können, sind meine Artikel hier auf dem Blog nicht gegendert). Als Anwalt bin ich aber Dienstleister, und meine Mandantinnen (und es sind „-innen“, denn fast immer handelt es sich um Gesellschaften) folgen mit sehr guten Gründen ihren Überzeugungen, Vorgaben und Style-Guides. Meine Aufgabe ist es, innerhalb dieser Vorgaben zu agieren. Aber natürlich muss ich dabei auch juristische Ziele erreichen, nämlich einen vernünftigen Vertrag schreiben.

Die Frage ist also: passen Verträge und gendergerechte Sprache zusammen? Ich meine: das geht besser, als es auf den ersten Blick scheint. An einigen Stellen sehe ich sogar einen Beifang kleiner Vorteile durch verbesserte Lesbarkeit, so dass ich überlege, zukünftig meine AGB-Klauseln zu gendern oder jedenfalls gegenderte Varianten vorzuhalten: dort kommt es ja ganz besonders auf Transparenz und Übersichtlichkeit an.

Vorüberlegung: der Zweck von Sprache in Verträgen

Verträge dienen einem Zweck. Sie sollen eine Spielregel darstellen, anhand derer zwei oder mehre Parteien festlegen, wer was in welchen Fällen zu tun oder zu lassen hat.

Diesem Zweck dient auch ihre Sprache. Die ist allerdings eine Fachsprache, die zunächst wie Deutsch, Englisch usw. aussieht, tatsächlich aber eigenen Regeln und Konventionen folgt, die von der Standardsprache abweichen. Das macht einen Vertrag, wenn er denn gut verfasst ist, zwar präzise, aber nicht notwendigerweise für Laien gut lesbar.

Ist nun diese Vertrags-Fachsprache kompatibel zum Anliegen des Genderns? Kann man also gendergerecht schreiben und dennoch den Geboten der sachlichen Korrektheit, der Verständlichkeit und Lesbarkeit, der Vorlesbarkeit (dazu später), der Rechtssicherheit und Eindeutigkeit Rechnung tragen?

Wo Verträge nicht inklusiv sind

Gendergerechte Sprache und inklusive Sprache sind eine gute Idee, wenn man tatsächlich eine Vielzahl von Personen anspricht und nicht weiß, wer genau Teil dieses Personenkreises ist. Bei klassischen Verträgen, also Instrumenten zwischen zwei oder mehreren bekannten Vertragsparteien, ist das nicht der Fall. Verträge wollen nicht alle adressieren, sondern Sie wirken nur zwischen den Parteien (inter partes, nicht inter omnes). Die Parteien wiederum sollte ich so genau es irgend geht bezeichnen, denn Ambiguitäten, wer nun eigentlich gemeint ist, führen direkt in die Vertragshölle: das haben wir uns hier schon mehrfach angesehen.

Das ist der Grund, warum in maßgeschneiderten Verträgen traditionell Partei- und Funktionsbezeichnungen mit sehr genau definierten grammatischen Geschlechtern versehen werden. Kauft eine AG ein Grundstück, dann ist sie im Kaufvertrag eben „die Käuferin“. Unterzeichnet eine GmbH nach Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, dann ist sie „Unterlassungsschuldnerin“. Da ich und die Kanzlei, bei der ich tätig bin, praktisch ausschließlich wirtschaftsberatend tätig sind, lehne ich mich aus dem Fenster und sage: mit Ausnahme der Arbeitsrechtler hat die Kanzlei zu 80% Mandantinnen.

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Wer will was von wem – Vertragsparteien richtig benennen

Verträge scheitern ab und an. Aber selten an der salvatorischen Klausel. Meist daran, dass schon gar nicht klar ist, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde oder nicht, und falls doch, zu welchen Bedingungen. Das lässt sich leider nicht immer vermeiden, weil Vertragsverhandlungen so komplex sind wie das Leben.

Aber erstaunlich häufig ist auch unklar, wer denn eigentlich mit wem einen Vertrag geschlossen hat. Und das, meine ich, ist vermeidbar.

Technische Schlampereien

Vor ein paar Tagen hatte ich einen Vertrag auf dem Schreibtisch, bei dem die Parteibezeichnung des Auftragnehmers (sinngemäß) lautete: „Max Mustermann, Mustermax GmbH“. Und die Unterschriftenzeile: „Max Mustermann“. Wer sollte hier Vertragspartner sein? Herr Mustermann? Die GmbH, deren Geschäftsführer Herr Mustermann ist? Beide?

Das Lesen des Vertrages machte mich nicht wirklich schlauer. Ein wenig klang der Text so, als sei nur Herr Mustermann gemeint. Aber so ganz klar war das dann doch nicht, die geforderte Leistung hätte ein Mensch ebenso wie eine juristische Person erbringen können. Auch der Kontext an Begleitschreiben oder sonstiger Korrespondenz schaffte keine Klarheit. Ich musste also nachfragen: gemeint waren beide.

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